Schadensmanagement📅 18. November 2024⏱️ 9 Min. Lesezeit

Anfahrschäden am Regal: So dokumentieren Sie richtig & klären die Haftung

Ein Staplerfahrer kollidiert mit einem Regalständer – ein Alltagsszenario in Logistikzentren. Doch was viele nicht wissen: Ohne korrekte Dokumentation drohen Bußgelder, Versicherungsausfall und im schlimmsten Fall persönliche Haftung.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Anfahrschäden sofort richtig bewerten, dokumentieren und welche rechtlichen Konsequenzen drohen.

📊 Anfahrschäden in Zahlen

75%

aller Regalschäden entstehen durch Stapler-Kollisionen

€85.000

Durchschnittlicher Schaden bei Regaleinsturz mit Warenverlust

48h

Frist, um Anfahrschäden der Versicherung zu melden

🚨Sofortmaßnahmen nach Anfahrschaden: Die ersten 15 Minuten entscheiden

⚠️ Kritisch: Wann muss das Regal SOFORT außer Betrieb?

Nach einem Anfahrschaden haben Sie keine Zeit für langes Überlegen. Prüfen Sie innerhalb von 5 Minuten:

🔴 ROT = Sofort außer Betrieb (Lebensgefahr!)

  • Sichtbare Risse im Ständer oder Träger (auch kleine!)
  • Verformung über 10mm (mit Maßband prüfen)
  • Schweißnähte gerissen oder aufgerissen
  • Ständer kippt oder wackelt (nicht mehr stabil verankert)
  • Träger durchgebogen (sichtbare Absenkung der Palette)

→ Maßnahme: Regal SOFORT entladen, Absperrband anbringen, Lagerleitung + Geschäftsführung informieren, Befähigte Person rufen

🟡 GELB = Zeitnah reparieren (binnen 4 Wochen)

  • Leichte Verformung (unter 10mm)
  • Lackabplatzer mit freiliegendem Metall (Rostgefahr)
  • Verbogene Anfahrschutz-Elemente
  • Gelockerte Schrauben an der Bodenverankerung

→ Maßnahme: Markieren, dokumentieren, Reparatur binnen 4 Wochen beauftragen, wöchentlich kontrollieren

🟢 GRÜN = Beobachten (kosmetisch)

  • Oberflächenkratzer im Lack (Metall nicht freigelegt)
  • Leichte Delle ohne Verformung der Trägerstruktur
  • Anfahrschutz hat Funktion erfüllt (Regal unbeschädigt)

→ Maßnahme: Dokumentieren, bei nächster Prüfung erneut begutachten

✅ Checkliste: Die ersten 15 Minuten nach Anfahrschaden

📸Fotodokumentation: Diese 7 Aufnahmen brauchen Sie

Die Fotodokumentation ist Ihr wichtigster Beweis gegenüber Versicherung, Berufsgenossenschaft und im Haftungsfall. Ohne Fotos: keine Zahlung!

Machen Sie IMMER diese 7 Aufnahmen – auch bei vermeintlich "harmlosen" Kratzern:

1️⃣

Übersichtsaufnahme

Fotografieren Sie das gesamte Regalfeld aus 3-4 Metern Entfernung. Ziel: Man erkennt, um welches Regal es sich handelt.

Wichtig: Regalnummer muss lesbar sein!
2️⃣

Schadstelle Detail

Nahaufnahme der beschädigten Stelle (30-50cm Abstand). Ziel: Risse, Verformungen, Lackschäden gut erkennbar.

Tipp: Maßband anlegen für Größenvergleich!
3️⃣

Seitenansicht

Von der Seite fotografieren, um Verformungen/Ausbuchtungen sichtbar zu machen. Bei geradem Blick oft nicht erkennbar!

Wichtig: Besonders bei Ständern kritisch!
4️⃣

Regalnummer

Nahaufnahme des Regalidentifikations-Schildes oder der Regalnummer. Ziel: Eindeutige Zuordnung.

Falls keine Nummer: QR-Code oder Standort fotografieren
5️⃣

Umgebung

Weitwinkel: Gangbreite, umstehende Regale, Beleuchtungsverhältnisse. Ziel: Haftungsfrage klären (War Gang zu eng?)

Wichtig bei Rechtsstreit: Beweist Betriebsbedingungen
6️⃣

Verursacher (Stapler)

Foto des beteiligten Staplers mit Kennzeichen. Bei Mietstapler: auch Mietfirma-Aufkleber fotografieren.

Datenschutz: Keine Personen frontal fotografieren!
7️⃣

Prüfplakette

Nahaufnahme der aktuellen Prüfplakette. Ziel: Nachweis, dass Regal vor Unfall geprüft und in Ordnung war.

Versicherung prüft: War Prüfung fällig? Gültig?

💡 Profi-Tipp: Zeitstempel ist Gold wert

Nutzen Sie eine App oder Software (z.B. RegalScan), die automatisch Datum, Uhrzeit und GPS-Koordinaten in die Fotos einbettet. Das verhindert Manipulation-Vorwürfe.

Smartphone-Fotos allein reichen aus, aber: Aktivieren Sie in den Kamera-Einstellungen "Standort speichern" und "Datum/Uhrzeit anzeigen".

⚖️Haftung: Wer zahlt den Schaden?

Die 3 Haftungsstufen bei Anfahrschäden

1. Leichte Fahrlässigkeit (häufigster Fall)

Beispiel: Staplerfahrer übersieht in hektischer Situation einen Regalständer, weil das Lager schlecht beleuchtet ist oder der Gang zu eng ist.

→ Haftung:

Arbeitgeber zahlt zu 100% (Betriebsrisiko). Staplerfahrer haftet NICHT. Versicherung (Betriebshaftpflicht) übernimmt.

2. Mittlere Fahrlässigkeit

Beispiel: Fahrer fährt zu schnell, obwohl Tempolimit (10 km/h) im Lager klar ausgeschildert ist. Oder: Fahrer ist abgelenkt durch Smartphone.

→ Haftung:

Anteilige Haftung (z.B. 50:50 zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Arbeitgeber kann bis zu 50% vom Nettogehalt des Fahrers einbehalten (über mehrere Monate verteilt).

3. Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz

Beispiel: Fahrer ist betrunken (Alkohol oder Drogen). Oder: Fahrer rammt Regal absichtlich nach Streit mit Vorgesetztem.

→ Haftung:

Arbeitnehmer haftet zu 100%. Zusätzlich: Fristlose Kündigung + Strafanzeige möglich. Versicherung zahlt NICHT (Vorsatz ausgeschlossen).

Sonderfall: Betreiber haftet gegenüber Versicherung

Auch wenn der Staplerfahrer nicht haftet, können Sie als Betreiber trotzdem Probleme bekommen:

  • 📌 Fall 1: Fehlende Regalprüfung
    Wenn das beschädigte Regal seit 18 Monaten nicht mehr geprüft wurde, verweigert die Versicherung oft die Zahlung (Obliegenheitspflichtverletzung §28 VVG).
  • 📌 Fall 2: Bekannte Vorschäden nicht repariert
    Sie wussten, dass der Ständer bereits vorgeschädigt war (GELB-Mangel), haben aber nicht repariert? Versicherung zahlt nur teilweise oder gar nicht.
  • 📌 Fall 3: Fehlende Anfahrschutz-Elemente
    DGUV schreibt Anfahrschutz bei Staplerbetrieb vor. Wenn nicht vorhanden: Mitschuld des Betreibers (30-50%).

⚠️ Persönliche Haftung Geschäftsführung

Als Geschäftsführer oder Betriebsverantwortlicher haften Sie persönlich, wenn:

  • • Sie die Regalprüfung seit Jahren nicht durchgeführt haben
  • • Bekannte kritische Schäden (ROT) ignoriert wurden
  • • Staplerfahrer nicht ausreichend geschult wurden
  • • Anfahrschutz fehlt, obwohl Sie darauf hingewiesen wurden

→ Bei Personenschäden (Verletzung/Tod): Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung/Tötung möglich!

🏢Versicherung melden: Diese Fristen müssen Sie einhalten

Kritisch: 48-Stunden-Frist!

Die meisten Betriebshaftpflicht-Versicherungen fordern eine Schadenmeldung innerhalb von 48 Stunden (2 Werktage).

Melden Sie später? Versicherung kann Zahlung verweigern oder kürzen. Auch bei "kleinen" Schäden (unter €1.000) melden – Sie wissen nicht, ob später weitere Folgeschäden auftauchen!

📋 Checkliste: Versicherungsmeldung vorbereiten

💡 Profi-Tipp: Melden Sie auch "Bagatellschäden"

Viele Betriebe melden nur Schäden über €5.000, um die Versicherungsprämie nicht zu belasten. Das ist riskant!

Beispiel: Ein "harmloser" Kratzer am Ständer wird nicht gemeldet. 6 Monate später stürzt das Regal ein (€85.000 Schaden). Die Versicherung findet heraus, dass der Schaden schon länger existierte → Zahlung verweigert.

→ Besser: Jeden Anfahrschaden melden, aber vorab mit Versicherung klären, ob Kleinschäden (unter €1.000) prämienwirksam sind.

🛡️Prävention: So vermeiden Sie Anfahrschäden

🚧Technische Maßnahmen

  • Anfahrschutz installieren (U-Profile, Rammschutz-Pfosten) – Pflicht bei Staplerbetrieb!
  • Kontrastmarkierungen anbringen (gelb-schwarze Streifen an Ständern)
  • LED-Beleuchtung in kritischen Gängen verbessern
  • Gangbreite prüfen: Mind. 30cm Sicherheitsabstand Stapler ↔ Regal
  • Bodenschwellen vor kritischen Bereichen (erzwingen langsameres Fahren)

👨‍🏫Organisatorische Maßnahmen

  • Staplerfahrer regelmäßig schulen (mind. 1x/Jahr Auffrischung)
  • Tempolimit festlegen (max. 10 km/h im Lager) und kontrollieren
  • Anfahrschaden-Meldepflicht einführen (auch bei Bagatellen!)
  • Wöchentliche Sichtkontrollen durch Schichtleiter
  • Prämiensystem: Schadensfreie Monate belohnen

✅ ROI-Rechnung: Lohnt sich Anfahrschutz?

Kosten Anfahrschutz: €150-300 pro Regalfeld (einmalig)
Kosten ein Anfahrschaden: €2.000-15.000 (Reparatur + Betriebsausfall + Warenverlust)

→ Anfahrschutz hat sich bereits nach 1-2 verhinderten Schäden amortisiert!

🚀 RegalScan dokumentiert Anfahrschäden in 60 Sekunden

QR-Code scannen → Fotos machen → Schaden kategorisieren → Fertig. Automatische Versicherungsmeldung inklusive. 48h-Frist? Kein Problem!